Im letzten Artikel habe ich Ihnen kurz erklärt, wie eine Paartherapie in meiner Praxis ablaufen könnte, wenn beide beteiligten Parteien bereit dazu sind, an der Beziehung zu arbeiten und freiwillig zur Therapie kommen.
Was aber tun, wenn eine der beiden beteiligten Parteien keine Notwendigkeit für eine Therapie sieht? Oder was können Sie tun, wenn Sie z. B. die Beziehung zu einer Kollegin oder einem Kollegen verbessern möchten, ohne die andere Person darüber in Kenntnis zu setzen?
Ganz einfach:
Dann nehmen Sie eine „Stellvertreterin“ oder einen „Stellvertreter“ mit zur Paartherapie.
Stellvertreter können helfen
Diese Stellvertreterin oder dieser Stellvertreter kommt anstelle der realen Person mit zur Therapie und schlüpft in die Rolle der Person, mit der Sie etwas zu klären haben.
Viele von Ihnen kennen diese Stellvertreter-Technik von Familienaufstellungen. Entweder aus eigenen Erfahrungen oder vom Hörensagen. Auch hier werden fremde Personen, stellvertretend für die Menschen, mit denen Sie etwas zu klären haben, von Ihnen eingesetzt.
Es ist immer wieder verblüffend, wie sich diese Menschen plötzlich verhalten und welche Äußerungen sie von sich geben. Man hat das Gefühl, dass der reale Mensch in diese Stellvertreterperson hineingeschlüpft ist.
Und genau diese Technik können Sie auch anwenden, wenn Sie eine Paartherapie machen möchten. Sie können gerne eine Ihnen vertraute Person bitten, diese Aufgabe zu übernehmen. Falls Sie das nicht möchten, bemühe ich mich gerne darum, jemanden zu finden, der Sie unterstützen möchte.
Paartherapie mal anders
Sollten Sie aber weder den einen Vorschlag noch den anderen attraktiv finden, besteht immer noch die Möglichkeit, die Paarbeziehung aufzustellen. Das bedeutet, dass Sie entweder eine Aufstellung mit realen Personen machen lassen oder – wie ich es in meiner Praxis anbiete – mit Playmobil-Figuren.
Wie diese Aufstellung genau funktioniert, erkläre ich Ihnen gerne in einem späteren Artikel.
Kommen wir also zurück zur Paartherapie mit realen Stellvertretern.
Die Sitzung beginnt
Es ist völlig egal, ob Sie mit der realen Person oder mit einem Stellvertreter zur Therapie kommen. Der Ablauf ist immer gleich.
Es werden auch hier beide nach ihrem Anliegen gefragt und danach, was sie ändern möchten. Auch werden wieder die Stühle getauscht, damit jeder einmal die Energie des anderen spüren kann, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Sie werden nach der Sitzung bemerken, dass sich die Beziehung zur betreffenden realen Person zu verbessern beginnt, weil Sie das System verändert haben.
Einzeltherapie ist auch immer Paartherapie
Wenn Sie weder Ihre Partnerin noch Ihren Partner dazu bewegen können, an der Beziehung zu arbeiten und auch keinen Stellvertreter hinzuziehen möchten haben Sie die Möglichkeit, ganz alleine an der Beziehung zu arbeiten.
Und das bedeutet, dass Sie an sich selbst arbeiten, an Ihren Wünschen und Zielen und sich darum kümmern, dass Sie selbst glücklich und zufrieden sind. Und wie Sie bereits wissen, schaden Sie damit niemandem. Ganz im Gegenteil.
In dem Moment, in dem Sie beginnen, sich zu entwickeln, verändert sich auch automatisch das System in dem Sie eingebunden sind. Es verändern sich also alle Beziehungen, auch Ihre Beziehung zu sich selbst.
In sich selbst hineinspüren
So wie Sie die Energie anderer Personen spüren und neue Erkenntnisse gewinnen können, indem Sie die bereits erwähnte „Stuhlübung“ machen, so können Sie auch in sich selbst hineinspüren.
Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie z. B. mit einem Kollegen nicht klarkommen. Es stört Sie ungemein, dass er in Ihren Augen sehr arrogant und überheblich wirkt und Sie damit einschüchtert.
Jetzt nehmen Sie bitte einen Stuhl zur Hand und wählen zwischen zwei Möglichkeiten.
Die eine Möglichkeit wäre, sich vorzustellen, dass dieser Stuhl für das Thema „Arroganz“ bzw. „Überheblichkeit“ steht.
Die zweite Möglichkeit wäre, sich vorstellen, dass dieser Stuhl Ihren „Kollegen“ darstellt.
In beiden Fällen können Sie diesen beiden Stühlen alles sagen, was es zu sagen gibt. Entweder in Gedanken oder laut ausgesprochen.
Danach setzen Sie sich bitte auf den Stuhl, und zwar ohne Erwartungen, unvoreingenommen und neugierig. Lassen Sie sich die Zeit die Sie benötigen und nehmen Sie einfach wahr was geschieht.
In den allermeisten Fällen hat man zunächst ein unangenehmes oder ungutes Gefühl, das jedoch mit der Zeit verschwindet und sich in etwas Positives verwandelt. Es macht sich meist Erleichterung bemerkbar und zaubert ein erstauntes Lächeln ins Gesicht.
Was passiert da?
Das ist ganz einfach zu erklären. Immer, wenn Sie ein Problem mit einer anderen Person haben oder sich über eine Eigenschaft oder eine Verhaltensweise ärgern, dann hat das grundsätzlich mit Ihnen selbst zu tun. All das, was wir bei anderen ablehnen oder verurteilen, steckt auch in uns. Entweder wissen wir das nicht oder unterdrücken diese Verhaltensweise.
Psychologen sprechen auch von „abgespaltenen Persönlichkeitsanteilen“.
In dem Moment, in dem wir uns auf einen Stuhl setzen, der für das steht, was wir bei anderen ablehnen, nehmen wir diesen Persönlichkeitsanteil wieder in uns auf. Wir akzeptieren also, dass auch wir z. B. „arrogant“ sein können. Dies führt dazu, dass wir uns sozusagen wieder „ganz“ fühlen. Und diese „Ganzheit“ fühlt sich gut an.
Ende gut – alles gut
Wenn wir erst einmal erkannt und akzeptiert haben, dass die Menschen, denen wir begegnen, sowohl unsere negativen als auch positiven Seiten spiegeln und wir mutig waren, unsere abgespaltenen dunklen Seiten anzunehmen, werden wir mit der Zeit immer bessere Beziehungen führen.
Sie haben Zweifel? Dann finden Sie in Ihrer Wohnung sicher einen Stuhl, der für das Thema „Zweifel“ steht.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dieser Übung und viele neue Erkenntnisse. Und ich glaube, Sie bereits lächeln zu sehen.
Es grüßt Sie herzlich
Susanne Witschas
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